Interview

jk-lang

Jinran Kim

Das Interview mit der koreanischen Künstlerin Jinran Kim ist ein Beitrag zu ihrem Katalog After the Rain (ISBN 978-3-944141-10-7)

Jinran Kim lebt Berlin, wie viele internationale KünstlerInnen. Doch kaum jemand setzt sich künstlerisch so mit Berlin auseinander wie die Koreanerin.  Kim hat international ausgestellt, u.a. in Tokio, Moskau und Paris. Die Ausstellung im Körnerpark ist die erste Jinran-Kim-Werkschau einer Berliner Institution.

Frau Kim, seit wann sind Sie in Berlin?

Seit 1994, ich habe Bildhauerei in Seoul studiert und bin dann nach meinem Studium nach Berlin gegangen. Ich wollte unbedingt nach Berlin, ich hätte auch nach London oder New York gehen können, aber Berlin hat mich fasziniert. Nicht nur aber auch, weil es eine geteilte Stadt war, und weil ich selbst aus einem geteilten Land komme.

Ihre jüngste Arbeit „After the Rain“ erinnert an das völlig zerstörte Berlin von 1945. Warum einen Horror revitalisieren, der Vergangenheit ist?

Hätte ich diese Bilder als Schweizerin oder Amerikanerin gemalt, könnte man zu Recht sagen, was soll das? Aber ich komme aus Korea, und auch Seoul war nach dem Krieg kaputt, so wie Berlin. Nicht 1945, aber 1953 nach dem Korea Krieg. Und vermutlich bin ich deshalb besonders empfänglich für die Aura Berlins. Ich nehme Berlin als eine Stadt wahr, die bis heute zutiefst geprägt ist dadurch, dass sie 1945 in Schutt und Asche gelegen hat.

Wie ist „After the Rain“ entstanden?

Ich habe in Archiven nach Fotos gesucht, die zeigen, was ich vor meinem inneren Auge sehe, wenn ich durch Berlin laufe. Nach Fotos, die 1945 gemacht wurden, während oder unmittelbar nach Bombenabwürfen, von markanten Gebäuden wie zum Beispiel dem Hotel Adlon, das mal voller Leben war. Diese Fotos waren meine Grundlage. Mir ging es nicht darum, sie abzumalen. Ich habe sie übersetzt in großformatige Gemälde, die sie verfremden. Alle sind mit Asche gemalt, für die ich Holz verbrannt habe aus Altbauten, die damals schon standen.

Die Bilder sind sehr schön, sehr elegant in ihren Schattierungen zwischen einem fast weißen Grau und tiefem Schwarz. Ästhetisieren Sie Grauen und Zerstörung damit nicht?

Das ist eine sehr europäische Frage, die in Asien niemand stellen würde. Die Frage impliziert ja, dass Schönheit reserviert sein sollte für das Gute und Angenehme, und das ist in Asien nicht so. Schönheit ist ein Grundprinzip, wenn es um Darstellung geht, unabhängig von den Inhalten. Aber um die Frage zu beantworten: Nein, ich ästhetisiere das Grauen nicht, ich zeige es oder besser, ich reinszeniere es. Auf meinen Bildern kann man das Detonieren der Bomben fast hören und den Rauch noch riechen. Für mich hat dieses Reinszenieren mit Katharsis zu tun.

Meinen Sie mit Katharsis das, was Aristoteles als seelische Reinigung beschrieben hat?

Ja, dieselbe Wirkung, die Aristoteles der Tragödie zugeschrieben hat, erhoffe ich mir für die Berlin-Bilder. Es geht um Erlösung, um das Loswerden von Angst. Angst vor Gewalt, Krieg, Sterben – für mich sind das Gefühle, die in der Luft liegen. Sie lassen sich in Berlin nur leichter verdrängen, in Korea sind sie präsenter, wegen der tagtäglichen Konflikte zwischen Nord- und Südkorea.

„Trümmerfrauen“ heißt eine andere Arbeit von Ihnen – Zeichnungen koreanischer Geishas, die wie displaced persons durch das zerstörte Berlin ziehen. Warum Geishas?

Ich als Künstlerin sehe mich in der Tradition koreanischer Geishas, und wenn Sie so wollen, sind die Zeichnungen auch ein ironischer Kommentar zu meiner Rolle als Asiatin in Berlin. Das Wort Geisha hat in Europa oft einen leicht anzüglichen Klang, den es in Korea überhaupt nicht hat. Geishas waren Künstlerinnen, die man bezahlte, weil sie gut malten, sangen oder tanzten. Geisha war ein respektabler Beruf, und verschwunden ist der erst, als Korea nach dem Krieg eigene Traditionen aufgab, um westlichen Vorbildern nachzueifern. Und natürlich sind Künstlerinnen für mich letztlich auch Trümmerfrauen, weil oft sie es sind, die Dinge aufarbeiten.  Die sich für Erinnerungen interessieren und dafür, wie sie Leben formen.

Würden Sie sich als Konzeptkünstlerin bezeichnen?

Ich brauche dieses Etikett nicht, aber es wäre auch nicht ganz falsch. Ich recherchiere immer sehr lange für meine Arbeiten, unabhängig davon, ob es um eine Installation, ein Bild oder eine Performance geht. Immer gibt es einen Gedanken oder ein Gefühl, das ich verfolge, bevor ich es umsetze in sinnlich Erfahrbares.