Kommentar

schwarzbuch

Tagesspiegel, Berlin

Faschismus versus Stalinismus
Eine Berlin-Moskau Diskussion im Martin Gropius Bau, Berlin

 

„Diese Diskussion hat einen sehr hermetischen Charakter,“ so Sonja Margolina in ihrem Schlusswort. Und recht hatte sie:

Die als Begleitveranstaltung zur Ausstellung „Berlin – Moskau“ angesetzte Gesprächsrunde, bei der sie – mit Michael Rohrwasser, Gesine Schwan und Ernst Nolte – über die Vergleichbarkeit von Nationalsozialismus und Stalinismus hätte reden sollen, hatte sich ihr, der einzigen Nicht-Deutschen gegenüber, tatsächlich sehr hermetisch gezeigt.

Niemand, der die die Autorin aus Russland fragte, ob dieses offensichtliche Bedürfnis nach einem Vergleich der Diktaturen in Russland überhaupt beseht. Niemand, der sie darum bat, Noltes partielle Rechtfertigung des Faschismus als Notwehr gegen den Bolschewismus zu kommentieren: die „fremde“ Sicht war einfach nicht gefragt.

Eine durch und durch deutsche Veranstaltung – deutsch in ihrer Konzentration auf die eigene Befindlichkeit; deutsch in einem Willen zur Abstraktion, der sich bei Realitäten nicht weiter aufhält, um sich enzig und allein dem „Wesentlichen“ zu widmen: Ob sie, so etwa Ernst Nolte, nicht auch glaube, dass alle grossen Ideen „ihrem Wesen nach“ dazu tendieren, in ebenso grosse Verbrechen umzuschlagen?

Kein Wunder, dass Margolina dieser Einladung ins grosse deutsche Reich der Ideen nicht recht folgen mochte. Genützt hat ihr ihre Reserve nicht. Umsonst auch ihr Hinweis darauf, dass es gerade aufgrund der so offensichtlichen Ähnlichkeit der beiden Systeme doch vor allem darum zu gehen habe, auch die Unterschiede nicht aus den Augen zu verlieren.

In Deutschland etwa habe es einen auf Vernichtung zielenden Terror gegen Angehörige eigens definierter Gruppen gegeben. Der Terror des Stalinismus dagegen, so Margolina, war auf perverse Weise sozial durchaus gerecht: „Keine Bevölkerungsgruppe, die er verschonte, im Gegenteil: je näher an der Macht, desto grösser auch die Chance, im Gulag zu enden“.

Kleine, aber feine Unterschiede, die ganz einfach untergingen – verschluckt vom Nebel einer Nolteschen „Dialektik“, die von Differenzen dieser Art keineswegs zu beeindrucken ist. Sie sind, wie Nolte erläuterte, normal: „Denn ohne sie gäbe es ja auch so etwas wie Ähnlichkeit nicht“.

Und nur darum, um Ähnlichkeit, ging es ihm. Nichts Neues: Noltes Thesen vom Faschismus als Kopie eines stalinistischen Originals, vom deutschen Bürgertum, dessen Not es zwang, den Kommunismus mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen, kennt man spätestens seit dem Historikerstreit.

Erstaunlich nur, wie salonfähig sie inzwischen geworden sind. Man hat sich, scheint es, aneinander gewöhnt. Könne es nicht sein, so Gesine Schwan durchaus einfühlsam, dass das Noltesche Bestreben, den Faschismus zu rechtfertigen, damit zusammenhänge, dass er, der nicht im Krieg gewesen sei, eine Art „Überlebensschuld“ meine abtragen zu müssen – seinen Kameraden gegenüber, die in diesem, dann gerechten Krieg gestorben sind?